Bei aller
theoretischen
Überlegung
war es
Aristoteles
wichtig,
dass Reden
natürlich
wirkten:
»Daher
ist es
erforderlich,
Kunstfertigkeit
anzuwenden,
ohne dass
man es merkt,
und die Rede
nicht als
verfertigt,
sondern als
natürlich
erscheinen
zu lassen -
dies nämlich
macht sie
glaubwürdig.«
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Wenn sich der bedeutendste Philosoph der Antike und »Vater der Logik« in
seinem umfangreichen Werk neben seinen Schriften zur Physik, zur Poetik,
zur Ethik und zur Politik auch ausführlich mit der Logik und der Rhetorik
befasst, dann erwartet man natürlich auch praktische Anregungen für die
Argumentation.
Aristoteles, 384 v.Chr. in Makedonien geboren, kam in jungen Jahren nach
Athen, wo er zwanzig Jahre lang an Platons Akademie lernte. Dabei musste er
sich einen so guten Ruf erworben haben, dass ihn Philipp II. nach Makedonien
zurückholte um ihm die Erziehung seines Sohnes Alexander, der später als
»der Große« in die Geschichte einging, zu übertragen.Wieder nach Athen zurückgekehrt gründete Aristoteles eine eigene Philosophenschule, in der er - häufig im freien Vortrag - seine Schüler in einer Vielzahl von Fächern unterrichtete. Er erwarb sich eine große Privatbibliothek, hinzu kamen eine beachtliche naturwissenschaftliche Sammlung und die Abschriften aller damals bekannten Staatsverfassungen. Als Makedone wurde er nach dem Tode Alexanders jedoch heftig angefeindet und - wie vor ihm schon Sokrates - der Gottlosigkeit angeklagt. Er flüchtete vor dem drohenden Todesurteil ins Exil, wo er 322 v. Chr. in großer Vereinsamung starb. Ironie der Geschichte: In den Wirren dieses Jahres fiel auch sein Gegenspieler Demosthenes dem Konflikt zwischen Makedonen und Athenern zum Opfer.
Für seine philosophischen Betrachtungen verarbeitete Aristoteles das gesamte
Wissen seiner Zeit, indem er es systematisch untersuchte und durch logische
Ableitungen weiterentwickelte. Seine logischen Schriften wurden als »Werkzeug«
für das richtige Denken bald unter der Bezeichnung »Organon« zusammengefasst.
In der aristotelischen Logik ist der Schluss eine »Rede, in der aus gewissen
Voraussetzungen etwas Neues hervorgeht«. Diese Ableitung einer
Schlussfolgerung (Konklusion) aus unterschiedlichen Voraussetzungen
(Prämissen) ist nichts anderes als der Syllogismus. In der
Argumentationslehre unterschied er verschiedene Beweisverfahren, so den
Satz vom Widerspruch oder die Sätze von der Identität, vom ausgeschlossenen
Dritten und vom zureichenden Grunde.
Dieses strenge logische Vorgehen entsprach ganz seinem Menschenbild. Der
Mensch war für ihn ein vernunftbegabtes Wesen, das zu seiner Glückseligkeit Vervollkommnung seiner ihn charakterisierenden Eigenschaften anstrebte, vor allem also seiner Vernunft.
Darüber hinaus definierte er den Menschen als ein
auf Gemeinschaft hin veranlagtes Wesen (»zoon politikon«), das sich am besten in einer Staatsform entwickeln konnte, die demokratische mit aristokratischen Elementen verband. Dies vor dem Hintergrund seiner Zeit: Die attische Demokratie war im Ringen mit Sparta und Makedonien zwar untergegangen, aber in der öffentlichen Diskussion durchaus noch lebendig!
In seiner Poetik beschäftigte er sich intensiv mit dem Seelenleben des
Menschen; so sollte in der Tragödie die Seele mithilfe von Furcht und Mitleid von negativen Affekten (=Gefühlen) befreit werden (»Katharsis«); dies setzte aber voraus, dass durch das Reden und Handeln der Schauspieler überhaupt erst Affekte erregt wurden.
Seine Rhetorik ist nun eingebettet in dieses Wissenschaftssystem, es entstand
aus seiner Erfahrung mit den Menschen, die als vernunftbegabte Wesen zugleich
auch Gefühlen und Stimmungen nachgingen. Sein dreibändiges Lehrbuch »Techné
rhétoriké« - es entstand zunächst in den Jahren, als er in Platons Akademie
Rhetorikkurse gab, und später dann, als er in seiner eigenen Schule
Rhetorikvorlesungen hielt - ist der Versuch einer Verbindung aus Logik und
praktischer Psychologie.
Rhetorik definierte Aristoteles nämlich als »die Fähigkeit, in jedem
Einzelfall ins Auge zu fassen, was Glaubwürdigkeit bewirkt« und als »die
Kraft, alles ausfindig zu machen, was in der Rede überreden kann«.
Damit wird sein wichtigster Bezugspunkt deutlich: Immer ist der Zuhörer
Ziel aller rhetorischen Bemühungen. In Analogie zur Dreiergruppe Redner -
Zuhörer - Sache (vgl. das Dreieck der Rhetorik) unterschied er drei
Möglichkeiten, den Zuhörer zu überzeugen: »Sie sind nämlich entweder im
Charakter des Redners begründet oder darin, den Zuhörer in eine gewisse
Stimmung zu versetzen, oder schließlich in der Rede selbst, das heißt durch
Beweisen oder scheinbares Beweisen.«
Als Logiker unterschied er streng zwischen Wahrheit und Wahrscheinlichkeit:
»Wahre (...) Sätze sind solche, die nicht erst durch anderes, sondern durch
sie selbst glaubhaft sind. Wahrscheinliche Sätze aber sind diejenigen, die
Älteren oder den Meisten oder den Weisen wahr erscheinen.« Mag es in der
Gerichtsverhandlung noch um Wahrheit gehen, die sich aus der genauen Kenntnis
vergangener Ereignisse heraus begründen lässt, so geht es bei politischen
Entscheidungen in der Volksversammlung um Wahrscheinlichkeiten, die die
Zukunft betreffen und damit nicht logisch ableitbar und beweisbar sind. In
der Rede geht es also weniger darum, Wahrheit objektiv darzustellen als
Wahrscheinlichkeiten plausibel zu machen.
Aristoteles war der festen Überzeugung, dass Redner sich zunächst auf die
Stimmungen der Zuhörer einstellen, dann aber auch über die Fähigkeit zur
Erregung von Affekten verfügen mussten. Um seine Zuhörer zu überzeugen, durfte der Redner auch mit Allgemeinplätzen und Sentenzen argumentieren. Seine Argumentation brauchte in diesem Fall weniger in sich logisch, als vielmehr für den Zuhörer plausibel sein:
»Für die Rede stellen die Sentenzen eine große Hilfe dar wegen der äußerst
ungebildeten Art der Zuhörer. Sie freuen sich nämlich, wenn jemand durch
den Ausspruch eines allgemeinen Satzes zufällig die Ansichten trifft, die
jene im speziellen Fall haben. Was ich meine, wird auf folgende Weise klar
(...) wenn zum Beispiel jemand zufällig böse Nachbarn oder missratene Kinder
hat, so wird er es gut heißen, wenn der Redner sagt: "Nichts ist
beschwerlicher als Nachbarschaft" oder "Nichts ist törichter als Kinder zu
zeugen". Folglich muss man danach trachten, welche vorgefasste Meinung die
Zuhörer zufällig haben und dann darüber allgemein gültig reden.«
Damit schloss sich für ihn der Kreis. Der Wissenschaftler und Philosoph musste logisch denken, der Redner durfte sogar emotionalisieren und sich in bestimmten Fällen darauf beschränken für die Zuhörer plausibel zu argumentieren.
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